TL;DR: Nach der kinderleichten Installation folgt die Ernüchterung: Standardfunktionene fehlen, alles wirkt unfertig. Linux braucht noch weitere zehn Jahre.
Linux war kurze Zeit mein Betriebssystem, gefolgt von einer deutlich längeren Zeit mit FreeBSD. Ich bin anschließend, 2002, auf den Mac gewechselt, da ich keine Lust mehr hatte auf unzählige inkompatible Desktops und sich unterschiedlich verhaltende Applikationen. Der Mac bot mit Mac OS X das Beste aus verschiedenen Welten: Eine hübsche und konsistente Oberfläche, Standard-Programme wie Office und Photoshop, sowie einen unixoiden Unterbau, in dem ich wie gewohnt werkeln konnte.
2002 sprang GNOME gerade auf Version 2 und führte erstmals Interface Guidelines ein, war also noch extrem jung und wacklig auf den Beinen. KDE wechselte auf Version 3 und war ebenfalls wacklig, fühlte sich zusätzlich immer mehr wie ein Windows-Klon an, bei dem jede freie Fläche durch einen Button belegt werden musste. Nach Jahren unter Geos, OS/2 und FreeBSD bot OS X für mich die bessere Umgebung.
12 Jahre später: Um Ubuntu herum sind viele Linux-Varianten entstanden, die auf die eine oder andere Desktop-Umgebung setzen. Elementary OS ist nur eine davon und eine, die sich sehr der Mac-Optik und Mac-Bedienbarkeit verschrieben hat.
Zunächst das Positive: Die Installation und Inbetriebnahme von Hardware und Peripherie machen einen überraschend guten Eindruck. Der eOS-Desktop ist aufgeräumt und die Applikationen werden optisch gut integriert. Standardanforderungen wie Drucken, Scannen, E-Mail, Web und Office-Programme werden gut abgedeckt, mit Pipelight klappen auch Videoportale und mit Steam auch bekannte Spiele. Damit dürften sehr viele Anwender mit Linux keine Probleme haben, zumal einzig Pipelight einige wenige einzukopierende Zeilen in das Terminal erfordert. Der Rest funktioniert einfach so. Viele der damaligen Probleme sind aber leider noch immer präsent, weshalb ich mein Linux-Experiment vorzeitig abbreche.
Der Teufel steckt im Detail: Fehlende oder fehlerhafte Funktionen und nur mit großem Aufwand (wenn überhaupt) zu ersetzende Mac-Softwarelösungen. Verblüffend betrachte ich die vielen kleinen Dinge, die den Mac so einfach machen und die ich im Laufe der Jahre als selbstverständlich erachtete: Das kleine Proxy-Icon in Dokumentfenstern, mit welchen man die Datei behandeln kann, die Quickview-Preview in Dateiauswahlfenstern, Spotlight-Suche, Time Machine-Backups mit Applikationsintegration, Applescript, die am Fenster klebenden Dialog-Sheets oder dass ich eine geöffnete Datei verschieben kann und das Programm sofort den neuen Standort kennt, ohne auch nur mit der Wimper zu zucken. Andere Linux-Desktops mögen hier mehr Funktionen bieten als Elementary OS, aber die Integration der einzelnen Programme geht auf dem Mac tiefer. Mein CardDAV-Problem ist dort z.B. seit 2009 auf Betriebssystemebene gelöst und funktionert ohne jede Konfigurationsarbeit, Plugins oder Abstimmungsprobleme.
Das Fazit ist deshalb eindeutig: Elementary OS macht Spaß, genauso wie der Linux-Desktop. Detailverliebtheit und Integration ist am Mac weitaus besser implementiert. Linux hinkt hier Jahre hinterher. Der Mehrpreis, den Apple für die Kombination aus Mac-Hardware und OS X-Betriebssystem verlangt, ist vollkommen gerechtfertigt.
Ein Wechsel auf Linux wäre für mich unter Komforteinbußen möglich, hinterlässt aber viele Baustellen: DEVONthink, die gesamte iTunes-Welt (iTunes Match, Metadatensyc, iPhone-Backup) und natürlich die Inkompatibilität zu CalDAV und CardDAV.