Zehn Jahre iPhone. Wie war das 2007?
Als das iPhone vorgestellt wurde saß ich in der Firma und schaue den Live-Stream an. Gerüchte berichteten von einem Apple-Telefon und als Steve Jobs es vorstellte saß ich begeistert vor dem Stream. Nicht nur, weil es ein Telefon von Apple war, sondern es war ein Telefon, was so unvorstellbar nach Zukunft aussah, nach einem rundum funktionierendem Produkt und wieder einmal nach einem genialen Arschtritt in Richtung der Konkurrenz. Denn 2007 sah es so aus:
- Bei Telefonen wechselte ich von einem Nokia 6210 (rundum gelungen) zu einem Sony-Gerät (endlich eine Kamera! Dafür weckte es aber nicht zur eingestellten Zeit) und zu einem dieser Querformat-Nokias (das konnte MP3s abspielen, stürzte aber reproduzierbar ab, wenn es dabei einen Anruf bekam). Meine damalige Freundin besaß ein Nokia-Telefon mit buntem Display, was bei einem bestimmten GUI-Theme abstürzte, wenn man sich durch die Menüs bewegte. Updates gab es nicht. Internet funktionierte allerdings bereits mit dem 6210. Bereits anfang der 2000er konnte ich über WAP-Seiten im Zug sitzend Kinotickets reservieren.
- Da die Telefone schlecht waren besaß ich einen Palm-Organizer für Notizen, Kalender und Aufgabenlisten. Zuvor einen Psion Revo.
- Da die Telefone schlecht waren besaß ich für Musik einen iPod nano.
- Da die Telefone schlecht waren besaß ich einen Nintendo DS.
- Da die Telefone schlecht waren besaß ich sowohl eine Spiegelreflex-Kamera als auch eine Kompaktkamera.
Ich trug somit täglich 4-5 Geräte mit mir herum. Von allen Geräten waren der iPod nano und Nintendo DS die einzigen, die einfach funktionierten. Sie nervten nicht, taten klaglos, was sie sollten und hatten mit dem Click-Wheel bzw. Touchscreen eine grandiose Benutzeroberfläche. Die Vorstellung, dass Apple ein Telefon veröffentlichen und damit Organizer, iPod und Telefon in nicht nervender Form vereinheitlichen konnte, war ein revolutionären Gedanke in einer Welt, in der Dysfunktionalität weitgehend akzeptiert war. Die Apple-Welt versprach nämlich: It just works.
Und dann kam Steve Jobs. We call it iPhone. iPhone runs OS X. Fingerbedienung. Mit iPod. Kann Videos. Kann Telefon. Kann Internet.
Kann Internet? Damals gab es dafür kaum Applaus. Breakthrough Internet Communication Device? Darunter konnte sich niemand etwas vorstellen. Apple verkaufte diesen tragbaren Computer als Telefon + iPod mit Internetanbindung und konnte damit die Leute an den Punkten einfangen, die sie kannten.
Für mich damals beeindruckend:
- Das erste Mal Drag and Drop in der Musik-App in deren Toolbar am unteren Bildschirmrand. Drag and Drop an einem Telefon. Hui!
- Nach etlichen Jahren in Listen vernünftig Cover-Art anfassen zu können!
- Endlich ein bedienbares Telefon! Konferenzschaltungen oder in ein anderes Gespräch zu wechseln war einfach möglich, bei anderen Telefonen dagegen Krieg (und wer im Büro Gespräche von A nach B vermittelt weiß: Das ist dort immer noch schwierig!).
- SMS als Chat-Konversation und nicht getrennt in Inbox/Outbox!
- Der Netzbetreiber wird ignoriert und liefert nur die Leitung, das Gerät kommt dagegen vom Gerätehersteller, inklusive Updates. Hallo?! Updates bei einem Telefon!
Aus heutiger Sicht bemerkenswert: Das Internet beeindruckte mich nicht. Mobiles Internet gab es zwar, aber es war "Baby Internet". Dementsprechend war es auch in meiner Wahrnehmung nicht stark verbreitet. Zwar fing ich 2008, als ich das 16GB-iPhone endlich kaufen konnte, auch zügig damit an, damit Blogs und Nachrichtenseiten zu lesen und tat dies auch mobil, mehr war aber damals nicht möglich. Apps kamen erst später.
Heute ist das Smartphone kaum mehr wegzudenken. Musik, Wecker, Kalender, Notizen, Chat, E-Mail, Spiele, Bücher, Karten, Video-Streaming, Podcasts, Lampensteuerung uvm. funktionieren immer häufiger primär über dieses kleine Gerät, das wir immer mit uns herum tragen. Es ist das erste Gerät, welches ich morgens anfasse und das letzte, wenn ich ins Bett gehe. Die Allgegenwärtigkeit verändert Denken und Handeln und schafft neue Gewohnheiten. Das hat Apple geschafft. Und ganz nebenbei verliert sich ein Satz im Nebel der Zeit: "Ich gehe kurz ins Internet". Heute tragen wir das Internet mit uns herum und sind immer online. Fluch und Segen zugleich.